Guten Tag.
Die Welt ist so. Einige Dinge dabei sind sehr seltsam. Zum Beispiel brav. Brav ist, wenn man nicht ist, wie man zu sein hat. Also nicht ganz normal. Wer brav ist ist nicht ganz normal. Weil es ja normal ist, dass man Bescheid sagt (rrwau!) wenn in der sogenannten Nachbarwohnung ein Umbau mit Betonmaschinenmonsterlärm vor sich geht und der Hund (das bin ich, gestatten) sich damit nicht zurecht- und abfindet. Das war ein schwieriger Satz – ich benötige kurz etwas Wasser.
Ja, also normal ist es da, sich gehörig Gehör zu verschaffen und die Baustelle lautestens anzufeinden und ihr ordentlich zu zeigen, wer hier in diesem Haus Krach macht. Sie verstehen. Normal. Aber, vorsicht!, das ist nicht brav.
Brav ist, wenn man die Baustelle sein lässt, ohne zu bellen. Und dafür gibt es keine weitere Begründung wie es scheint. Wir wissen nichts darüber. Außer dies: der Hund soll brav sein.
Hund möchte also schon aufgeben, wenn es da, neben Normal und Brav nicht noch eine dritte Kraft im Wohnungsuniversum gäbe: das Leckerli. Denn das Leckerli, dem stimmen wir alle zu, sicher, ist, ohne Bedenken, unausweichlich und vor allem auch offensichtlich, der Sinn des Daseins. Sogar wenn man nicht hungrig ist. Ja, ich sage darüberhinaus, praktisch sogar wenn einem schon schlecht ist. Das Leckerli ist der Drängelpunkt der Existenz.
Jetzt ist es aber so, dann man fürs Bravsein nicht immer ein Leckerli bekommt. Manchmal ganz automatisch, wenn die Menschen drauf kommen, dass ich brav bin, aber die sind ja oft so beschäftigt, da merken die gar nicht, dass ich nichts tue. Was ja auch gut ist, aber schlecht, wenn man ein Leckerli will.
Deshalb, so zeigen millionenhafte empirische Erhebungen, darf man nicht brav sein, um dann brav zu werden, um ein Leckerli zu erhalten. Nicht irgendein Leckerli, nein, ein wohlverdientes.
Das ist also die doch sehr schwierig zu hundzonalisierende und umzusetzende Aufgabe: der Baustelle ist Anfangs in ganzer Normalität und ohne Brav zu begegnen – mit ordentlich die Meinung aus den tieferen Regionen des Bauches anzugrollen und dann auch loszubellen. Dann wird der Mensch aufmerksam, nun muss man sich langsam, aber auch unauffällig (das ist wichtig) von der Normalität in die Bravheit begeben. Ein schwieriger Trick, aber ein beherrschenswerter. Denn kaum ist man so halbwegs in der Bravheit angekommen, wird man mit einem Leckerli belohnt. Und die Baustelle ist dann auch gar nicht mehr so schlimm, weil: Leckerli.
Ich hoffe, Sie können diese Anleitung auch erfolgreich in Ihrem Alltag umsetzen.
Hochachtungswürdig,
Pheodor